WAS WOLLTE JEAN-PIERRE-DE CAUSSADE? 6
12/01/2022
Hingabe ans Jetzt von Jean-Pierre-de Caussade

Aus dem Vorwort von „Hingabe ans Jetzt“ von Jean-Pierre de Caussade, ISBN 978-3-7543-5198-7. Ich werde in Abständen hier Auszüge aus meinem Vorwort sowie aus de Caussades Texten veröffentlichen.

De Caussade hat noch eine andere gute Nachricht: Das hier vorgeschlagene ist einfach: „Wie beglückte sie (die Vorväter) diese Einsicht! Welchen Trost und welchen Mut schöpften sie aus dem Gedanken, dass die Freundschaft mit Gott samt der himmlischen Glorie dadurch zustande kommt, dass sie nicht mehr tun, als was sie ohnehin tun müssen; dass sie nicht mehr leiden, als was sie ohnehin zu leiden haben; dass das, was sie verschleudern und für nichts achten, genügte, um eine gewaltige Heiligkeit aufzubauen! Herr, könnte ich doch zum Künstler dieses heiligen Willens werden! Allen möchte ich beibringen, dass nichts Leichteres, Alltäglicheres, Gegenwärtigeres in unsere Hand gelegt ist als die Heiligkeit.“

Dem aufmerksamen Leser wird vielleicht aufgefallen sein, dass die empfohlene Haltung dem entspricht, was oft als Anleitung zur Meditation oder zum kontemplativen Gebet gesagt wird: Alles da sein lassen, wie es ist, sich an keinem Gedanken festhalten (weil es unweigerlich in die Vergangenheit oder die Zukunft führt), keinen Gedanken zurückweisen (weil er nun eben mal da ist), allem zustimmen, weil sich darin die Gegenwart und das Wirken Gottes ausdrückt. So jedenfalls hat es F. Thomas Keating OCSO (1923-2018) in seinen Anweisungen zum „Gebet der Sammlung“ zusammengefasst und damit eine in unserer Zeit weit verbreitete kontemplative Bewegung ins Leben gerufen.[1]

Interessant ist allerdings, dass Jean-Pierre de Caussade kaum eine Anleitung zum kontemplativen Gebet gibt. Zwar betont er den Wert der Kontemplation, sie nimmt für ihn sogar „den ersten Rang unter allen Hilfsmitteln ein.“ Aber, das ist die entscheidende Aussage: Die Kontemplation bewirke die Gottverbundenheit nicht anders als alle übrigen Dinge, die Gottes Anordnung entsprechen. Ihm gelten also nicht nur alle Gebetsformen als gleichwertig (ein Gedanke, der sich übrigens auch bei Thomas Keating findet). Sondern das ganze Leben soll in einer kontemplativen Haltung gelebt werden. Entsprechend empfiehlt er, alle Gemütszustände und Ereignisse des Lebens als gleichwertig anzusehen, nicht nur während der Meditationszeiten: „Ich predige also die Hingabe, teure Liebe, und nicht einen besonderen Zustand. Ich liebe alle Zustände, in die deine Gnade die Seelen versetzt, und ziehe keinen dem andern vor.“ Und weiter: „Alle körperlichen Zustände werden unter seinem (Gottes) Einfluss zu Gnadenerweisen. … Geht es um den Namen des Zustandes, um seinen Unterschied andern Zuständen gegenüber und um seine Vorzüge? Nein, es handelt sich vielmehr um Gott selbst und sein Wirken. Der Art und Weise muss die Seele gleichgültig gegenüberstehen.“


[1] Thomas Keating, Das Gebet der Sammlung. Einführung und Begleitung des kontemplativen Gebetes, Vier Türme Verlag, 2010

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