Das Wimmelbild des Lebens
11/10/2018

Bei der Selbstergründung geht um „Figur und Hintergrund“. Viele von uns kennen dieses Bild der Vase, die sich beim zweiten Hinsehen als zwei menschliche Profile erweist. Wir sind in unserem Alltagsbewusstsein (Geist/Mind) vollständig fixiert auf die Vase (das Objekt). So können wir nicht den Hintergrund sehen, vor dem sie erscheint, obwohl der nicht nur immer da ist, sondern sogar die Voraussetzung ist für ihr Erscheinen.
Und schlimmer noch, unser Geist ist nicht nur in einer einzelnen Vase engagiert, sondern in einem Wimmelbild, wie wir es aus Kinderbüchern kennen. Das Wimmelbild des Lebens.
Meditation und kontemplative Praxis, insbesondere die des Jesusgebets, üben die Reduktion des Gewimmels auf ein einziges Objekt. In diesem Fall nicht auf eine Vase, sondern auf das Gebetswort. Dies geschieht in der Kontemplation nicht über Konzentration, sondern über sanfte Sammlung. Und doch: Eine subtile Dualität wird auf diese Weise aufrecht erhalten. Sie kann sich intuitiv auflösen, das ist Gnade. Die Selbstergründung aber geht den entscheidenden Schritt bewusst an.
Dabei zeigt sich eine grundsätzliche Schwierigkeit. Den Hintergrund, den Seinsgrund zu erkennen, bedeutet nicht, ein weiteres, gewissermaßen das ultimative Objekt zu erkennen. Bewusstsein ist kein Objekt. Man kann das mit einem Bild verdeutlichen: Unsere Aufmerksamkeit ist wie eine Taschenlampe, die in einem dunklen Raum Objekt nach Objekt anleuchtet. Sie kann jedes Objekt anstrahlen, nur eines nicht: sich selbst, genauer gesagt die Glühbirne. Die leuchtet selber, ist die Quelle des Lichts.
Bewusstsein erkennt sich nicht selbst, es weiß um sich selbst. In diesem Wissen ist keine Dualität. Wissen um sich selbst ist weder eine Tätigkeit noch eine Ausrichtung auf ein Objekt.
„Sei still, und wisse, dass ich Gott bin“
Ramana Maharshi hat diesen Satz aus Psalm 46 als die Aussage bezeichnet, in der die gesamte Weisheit der Bibel zusammenfasst ist.